5 Dezember 2020

Pferd im Fokus: Diesel

Die Pferde, mit denen wir Fahrsport betreiben, sind unsere zuverlässigen Partner. In der Reihe ‘Pferd im Fokus’ erzählen wir die Geschichte eines Pferdes oder Ponys, das es verdient, ins Rampenlicht gerückt zu werden.

Der Braunschecke-Wallach „Diesel“ des niederländischen Fahrerpaares Rudolf Pestman und Esther Klok ist eine auffällige Erscheinung. Diesel wurde 2003 geboren, seine Abstammung und seine Rasse sind unbekannt.
Als Zweieinhalbjähriger kam Diesel zu Rudolf in den Stall und führte seinen Fahrer auf das allerhöchste Niveau im Einspännersport. Die Kombination hat mittlerweile bereits fünf WM-teilnahmen absolviert. Die Erfolgsbilanz von Diesel ist beeindruckend. Der jüngste Erfolg: Mannschaftsgold bei der Einspänner-WM in Pau, wo Rudolf und Diesel mit einer fantastischen Fahrt ebenfalls das Hindernisfahren für sich entschieden.


Rudolf und Diesel im Kegelfahren bei der WM in Pau
Foto: Krisztina Horváth

Mak met karakter

Diesel hat viele Qualitäten, aber, wie Rudolf sagt: ‘You love him or not’. Das Pferd läuft immer bergauf mit viel Schub aus der Hinterhand. Im Umgang ist er wie ein Lamm, man kann ein Kind mit ihm losschicken. Trotzdem kann er auch stur sein, bei ihm kommt man mit Zuckerbrot wirklich weiter als mit Peitsche. Er ist kein Kuschelpferd und trotz seiner siebzehn Lenze wiehert er wie ein Fohlen, wenn sein Futter gebracht wird.

Die Anfänge

Rudolf und Esther fuhren zunächst einen Haflinger, hatten aber schon einige zeit Ausschau nach einem Reitpferd gehalten. Bei „Marktplaats“ erspähten sie eine Anzeige und fuhren beim Anbieter vorbei, um sich das Pferd anzuschauen. Die ersten drei Tritte, mit denen er lostrabte, waren klasse und wir waren sofort Feuer und Flamme. Zumal, da er nach dem Scheuchen wie eine „Säule“ stand. Was hatten sie gesehen? Ein bewegungsstarkes und braves Pferd, der Kopf war nichts für die Galerie, die Augen zu klein, die Abzeichen glichen eher einer Kuh.
‘Wie fuhren wieder nach Hause, und der Verkäufer sagte noch, dass es noch mehr Interessenten gebe’, erzählt Rudolf. Am Ende der Straße drehten sie um und kauften das Pferd. Ohne Ankaufsuntersuchung, was Esthers Kollegen in der Tierklinik in Winsum gas nicht lustig fanden. Nach einer Standpauke von den Tierärzten ließen sie Diesel nachträglich untersuchen. Zum Glück hatte er keine Mängel.


Diesel als Zweieinhalbjähriger
Foto: Privatsammlung

Erste fahrt

Als er als Jungpferd zu Rudolf und Esther in den Stall kam, war Diesel ein Schlacks. Er stand auf der Wiese herum und lernte letztendlich von den Haflingers, dass er die Zeit am besten mit Fressen und Relaxen zubringen konnte, statt um sich herum zu schauen. Er wurde spielend eingeritten und mit viereinhalb Jahren eingefahren. Die erste Ausfahrt wurde jedoch kein Erfolg.
Rudolf erzählt: ‘Diesel war auswärts eingefahren worden und kam danach wieder zurück. Als wir ihn anspannten, wollte er eigentlich gar nicht vorwärts. Wir ermunternden ihn und fuhren mit ihm in den Wald. Irgendwann bekamen wir ihn in den Trab. Er fand alles um sich herum gruselig und ehe wir es uns versahen, war er in einen trockenen Graben gesprungen. Aber er geriet keineswegs in Panik. Er wartete ruhig ab und wir konnten gleich wieder weiterfahren. Seine Reaktion gab uns viel Vertrauen. Es war aber ein seltsamer Anfang.’

Der Weg zum Erfolg

Rudolf und Esther nahmen sich genügend Zeit, um Diesel auszubilden. Zunächst nahmen sie ihn zu den Turnieren mit, um ihn an die Atmosphäre gewöhnen und Erfahrungen sammeln zu lassen, später dann durfte er selbst ran. Der Anfang war nicht immer einfach. ‘Bei den ersten Turnieren war es nicht so einfach, seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Er war schnell abgelenkt, und achtete nicht auf mich, erzählt Rudolf.

Diesel gewann jede Menge Preise. In einer Saison wurde er Meister im kombinierten Fahrsport, während er ebenfalls Meister in den Einzeldisziplinen Dressur und Hindernisfahren wurde. 2010 gewann er alle Turniere, an denen er teilnahm. Das Geheimnis? ‘Mann muss wirklich alles gemeinsam erleben’, sagt Rudolf. ‘Was man einmal zusammen gelernt hatte, nutzt man als Gepäck für die Zukunft.’
Im Jahr 2012 debütierten die zwei international in Dillenburg. Das wurde ein unvergessliches Turnier. Nach dem Marathon lagen sie am einem guten vierten Platz. Das Kegelfahren klappte auch bestens und so gewannen sie das Turnier! Rudolf: ‘Ich konnte es kaum glauben. Wir standen im Abfahrbereich, es kamen Leute zu uns und sagten, ‘du hast gewonnen’.’ Dieser unerwartete Erfolg brachte Fahrer und Pferd im gleichen Jahr das WM-Debüt im heißen Portugal.


Diesel ist nicht nur stark in der Dressur, sondern ist ein richtiges Allround-Pferd, das auch im Marathon (hier in Chablis) schnell ist
Foto: Privatsammlung

Spaß

‘Wir sind zusammen ein Team geworden’, sagt Rudolf zu Diesel. ‘Wir haben eigentlich auch ungefähr den gleichen Charakter. Wir sind beide ruhig, können aber auch aus uns herausgehen, obwohl ich Diesel dazu schon ein wenig aufputschen muss. Dass er so cool ist, hat natürlich Vorteile, aber man läuft Gefahr, dass man zu Hause beim Training zu nachlässig wird. Die Dressur war immer gut, aber im Laufe der Jahre ist er auch wesentlich schneller geworden. Er hat Spaß bei der Arbeit und mag den Marathon auch so richtig. Eigentlich ist Diesels Stärke, dass er alle drei Teilbereiche gut beherrscht. Dieser Spaß ist auch für Rudolf und Esther sehr wichtig: ‘Wir machen den Sport auch zum Spaß. Wenn man keinen Spaß hat, kann man auch keinen Erfolg erzielen.’

Die wirklich besonderen Momente? Da gab es mehrere. Diesel ist immerhin schon schon seit acht Jahren ganz vorne mit dabei. Und natürlich gab es Höhen und Tiefen. In 2018 war Diesel verletzt, war aber rechtzeitig wiederhergestellt, um an der WM in Kronenberg teilnehmen zu können. ‘In der Dressur gab er mir beim starken Trab auf der Mittellinie das Gefühl zu fliegen. Da kamen mir kurz Tränen der Freude,’ sagt Rudolf.
Auch der Sieg im Hindernisfahren in Pau war toll. Das Einssein mit dem Pferd, aber auch der Ehrgeiz und die Fokussierung der Kombination war einzigartig. ‘Hätten wie Diesel nicht gehabt, dann wären wir heute nicht, wo wir jetzt sind. In 2010 hätten wir ihn verkaufen können, zum Glück haben wir das nicht getan.’


Diesel in der Dressur bei der WM 2018
Foto: Brigitte Gfeller

Pollen

Ein nerviges Problem ist Diesels Pollenallergie. Dadurch kann sein Körper binnen kürzester Zeit mit Pusteln übersät sein. Zum Glück haben wir dafür mittels Desensibilisierung eine Lösung gefunden. Dass heißt, dass er nach Plan eine Injektion mit Baum- und Graspollen erhält, gegen die er empfindlich ist. Das erfordert eine sorgfältige Planung, aber zum Glück ist die allergische Reaktion damit kontrollierbar.

Die Zukunft

Diesel ist mit seinen siebzehn Jahren topfit. Rudolf und Esther pflegen ihn optimal und überfordern ihn nicht. ‘Wir möchten möglichst lange Freude an und mit  ihm erleben. Er macht immer noch Fortschritte und er ist gesund. Also träumen wir von der WM 2022.’ Was Diesel für seine Besitzer bedeutet? ‘Er ist ein Pferd, das man nur einmal im Leben hat‘, sagt Rudolf zu seinem Spitzenpferd. ‘es ist unvorstellbar, wie er immer wieder diese Leistungen abrufen kann. Wir sind ihm sehr dankbar für alles, was mit ihm erleben durften.’



Erfolge

Diesel gewann zahlreiche Preise. Die wichtigsten Erfolge im Überblick:

2009

Niederländischer Meister Klasse M

Einzelmeister Dressur klasse M

2010

Niederländischer Meister Klasse M

Einzelmeister Dressur klasse S

Einzelmeister Hindernisfahren Klasse L

2011

Niederländischer Meister Klasse M

2012

Sieger CAI3* Dillenburg

2015

2. Platz CAI3* Chablis

3. Platz FEI Rangliste

2016

2. Platz CAI3* Dillenburg

Silber niederländische Meisterschaft Kl. S Einspänner

2017

Sieger CAI3* Chablis

Silber niederländische Meisterschaft Kl. S Einspänner

2019

Bronze niederländische Meisterschaft Kl. S Einspänner

2. Platz CAIO4* Pau (Bronze mit dem Team)

2. Platz FEI-Rangliste

2020

2. Platz CAI3* Chablis

WM Pau: Mannschaftsgold, Sieg im Hindernisfahren, 5. Platz Einzelwertung Kombi

4. Platz FEI-Rangliste

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